Rolf, die Hähnin.

Eigentlich wurde Rolf als Hahn geboren, doch sie fühlte sich als Henne. Ein innerer Konflikt plagte sie, denn sie sehnte sich danach, ein Ei zu legen.
Jeden Morgen, wenn sie krähte, sah sie sehnsüchtig zu den Hennen hinüber, die stolz ihre frischen Eier präsentierten.
Rolf beschloss, ihren Traum nicht aufzugeben. Sie begann, die Hühner sorgfältig zu beobachten, studierte ihre Legegewohnheiten und begann das Eierlegen zu manifestieren.
„Bitte, liebes Universum, lass mich ein Ei legen!“
Nach stundenlanger Meditation verspürte sie ein Kribbeln in ihrem Unterleib. Schnell hockte sie sich in ihr Nest und begann zu pressen. Sie drückte und drückte.
Und so war Rolf immer noch eierlos und musste sich auch noch um ein neues Nest kümmern. Um Stöckchen für ein neues, sauberes Nest zu bekommen, lief Rolf in Richtung Wald. Auf halber Strecke lief ihr das Pferd Ferdi entgegen, auf dessen Rücken wie immer der Kater Karl saß.
Rolf erzählte Ferdi von ihrem Traum, woraufhin der alte Gaul schmunzelnd erklärte: „Ein Hahn kann keine Eier legen!“
Kater Karl fing herzlich an zu lachen. „Aber wenn es dir Spaß macht, solltest du es weiter probieren. Hahaha.“
Am Eingang des Waldes traf Rolf auf die weiße, alte Eule Elke, die ihr riet: „Du musst dich selbst akzeptieren und stolz sein, auf das, was du bist.“
Mit gesenktem Kopf lief das Huhn in den Wald. Niemand verstand sie, niemand konnte fühlen, was sie fühlte.
Versunken in Einsamkeit sammelte Rolf Stöckchen um Stöckchen, bis die Sonne unterging und sie schließlich nicht mehr wusste, wo sie war. Im Dunkeln überkam Rolf die Panik, und sie rannte ziellos im Wald umher, bis sie versehentlich in ein Loch fiel. Verstört rappelte sich die Henne auf, schaute sich um und blieb stocksteif stehen. Sie blickte direkt in die Augen eines großen Fuchses. Doch anstatt das Huhn zu fressen, fing der Fuchs herzlich an zu lachen. Denn Fritz der Fuchs war glücklicherweise seit 2 Wochen Veganer.
Fritz bemerkte die traurige Stimmung des Huhns. „Was ist los, Kleine?“ Rolf schüttete dem Fuchs ihr Herz aus und erzählte ihm, was sie alles versucht und getan hatte, um ihren Eierwunsch zu erfüllen. Nach kurzem Überlegen fragte der Fuchs nur: „Hast du dich denn schon für das Ei bedankt?“
Rolf verneinte, er habe es sich aber sehr stark gewünscht.
„Wenn du doch ganz sicher weißt, dass dein Wunsch in Erfüllung geht, dann bist du doch schon dankbar, bevor du es in den Händen hältst, oder nicht?“, erwiderte der Fuchs etwas in Eile, da er eigentlich gerade auf dem Weg zu einem Rave im Wald war. Alleine im dunklen Wald hatte Rolf keine andere Wahl, als dem Fuchs zu folgen.
Und so gingen sie zusammen zu einem Techno-Rave. Eine solch illegale Party kannte Rolf noch nicht; Tiere jeder Art tanzten zusammen. Sie fiel nicht auf, denn jeder war hier einzigartig. Die Henne fühlte sich angenommen und war so glücklich, dass sie 30 Stunden ohne Pause tanzte.
Und zu jeder vollen Stunde bedankte sie sich von ganzem Herzen für jedes Ei in ihrem Nest.
Mit tiefer Zufriedenheit kehrte Rolf zum Bauernhof zurück, baute sich dort ein neues Nest aus den schönsten Stöckchen des Waldes und schlief wie ein Bär im Winter.
Sie träumte davon, wie sie mühelos ein Ei nach dem anderen legte.
Am Morgen des dritten Tages wurde Rolf durch ein Wackeln unter ihrem Bauch geweckt.
Vorsichtig stand sie auf und schaute verdutzt in ihr Nest, in dem nun 30 dunkle Eier lagen. Vor lauter Freude fing sie lautstark an zu krähen, so dass alle Tiere es hörten. Es dauerte nicht lange, bis das Nest von allen Tieren umringt war. Der ganze Hof schaute gespannt auf die wackelnden Eier, die langsam zu knacken begannen…